Die Macht, uns alle zu knechten

Sünde, was ist das? Manchmal fällt es schwer, dieses Wort zu fassen, seine Bedeutung und das Ausmass, das Sünde annehmen kann. Ich glaube, sie ist einfach da. Sünde ist eine allgegenwärtige Macht und Kraft, der wir Menschen wenig entgegenzusetzen haben.

Jonah ist der glücklichste Mensch auf der Welt.

Wir schreiben das Jahr 1990. Es ist früher Abend, irgendwo in Ostfriesland. Warme Luft flirrt durch das geöffnete Fenster und goldene Sonnenstrahlen malen bewegte Muster an die Wände des kleinen Zimmers.

„Blendet dich die Sonne?“, fragt Jonah.

„Psst, ich liebe dieses Lied! Fast so wie dich …“ Andrea schmiegt sich in seinen Arm.

Im Fernsehen läuft der Superhit des Jahres: „Nothing compares 2 U“ von Sinéad O’Connor (deutsch: „Nichts ist mit dir vergleichbar“).

„Ich liebe dich auch!“, flüstert Jonah. Lächelnd denkt er an gestern zurück, an ihre Hochzeit und den Moment, als er Andrea das erste Mal in ihrem weißen Hochzeitskleid sieht. Am Arm ihres Vaters geht sie durch den Gang der kleinen Dorfkirche direkt auf ihn zu. Meine Güte, war er nervös!

„Ich frage Sie vor Gottes Angesicht: Nehmen Sie Ihre Braut Andrea an als Ihre Frau und versprechen Sie, ihr die Treue zu halten in guten und schlechten Tagen, in Gesundheit und Krankheit, und sie zu lieben, zu achten und zu ehren, bis der Tod sie scheidet?“

„Ja!“

Niemals in seinem Leben hatte er sich stolzer gefühlt. Oder glücklicher. Und niemals hatte er überzeugter „Ja“ gesagt. Sie waren jetzt Mann und Frau und sie gehörten für immer zusammen. Zärtlich streicht er Andrea über die Schulter.

Die melancholische Sinéad singt noch immer ihr trauriges Lied:

It’s been seven hours and 15 days
Since you took your love away
I go out every night and sleep all day
Since you took your love away …

Auf Deutsch:

Es ist sieben Stunden und 15 Tage her
seit du deine Liebe wegnahmst
Ich gehe jede Nacht aus und schlafe den ganzen Tag
Seit du mir deine Liebe genommen hast …

„Was ist das eigentlich für ein blöder Text?“, denkt Jonah. In dem Moment hebt Andrea ihren Kopf und gibt ihm einen Kuss. Er schließt die Augen und zieht sie noch ein Stück näher zu sich heran.


 

„Der Text ist wirklich blöd!“, denkt er neun Jahre später noch einmal. Beim Zappen durch das Fernsehprogramm ist er wie durch Zufall auf dieses uralte Musikvideo gestoßen, das Andrea und er damals am Tag nach ihrer Hochzeit gemeinsam gesehen haben.

Jetzt kommt es ihm vor wie ein böses Omen.

„Wer hat wem die Liebe weggenommen?“, fragt er sich im Stillen.

„Keiner von uns beiden wollte das und keiner hat irgendwelche Liebe weggenommen!“, denkt er böse, „sie ist einfach gegangen. Sie wurde aufgebraucht wie das Benzin bei einer Autofahrt. Sie wurde zerrieben wie das Korn zwischen zwei Mühlsteinen. Sie wurde uns genommen, immer war etwas und hat ihr zugesetzt und unsere Liebe wurde zerschlissen, bis sie keine Kraft mehr hatte. Doch wir haben es zugelassen.“

Traurig denkt er an die letzten Jahre zurück. Am Ende waren sie sich einig, dass es das Beste wäre, sich scheiden zu lassen. Auch für die Kinder …

„Das wird uns beiden niemals passieren, dass wir uns nicht mehr lieben!“ Andrea sagte das, während er sie zu noch näher zu sich zog.

Er hatte genickt.


 

Was ist in den Jahren zwischen diesen beiden Eindrücken passiert? Wir wissen es nicht und doch kennen wir es alle.

Die Bibel sagt:

Wenn jemand in Versuchung gerät, ist es seine eigene Begierde, die ihn reizt und in die Falle lockt. Nachdem die Begierde dann schwanger geworden ist, bringt sie die Sünde zur Welt; die Sünde aber, wenn sie ausgewachsen ist, gebiert den Tod.
(Jakobus 1,14-15; NGÜ)

Versuchungen entspringen ausnahmslos unseren Begierden. Und diese Begierden fußen entweder auf unseren eigenen inneren Neigungen oder sie werden von aussen an uns herangetragen, von aussen her gereizt sozusagen. 

Niemals ist Gott der Urheber von Versuchung.

Doch wer ist es dann? Andere Menschen, der Teufel, das Böse, wer?

Ich glaube, es ist die Sünde.

Die Sünde ist eine Macht; eine immerwährende, niemals erlahmende und unendliche penetrante Kraft, die immerfort auf uns einwirkt.

Vielleicht können wir sie uns vorstellen wie die Erdanziehungskraft. Auch der können wir nicht entgehen …

Andrea und Jonah haben sich versprochen, immer füreinander da zu sein, bis dass der Tod sie scheidet. Und beide haben dieses Versprechen ernst gemeint. Sie waren volle Glauben, Liebe und Hoffnung, dass es genauso sein wird. Und doch ist es nicht so, am Ende steht die Scheidung.

Kannst du sehen, welche Macht die Sünde hat?

Sie schafft Realitäten, die keiner von uns will. Und immer endet sie im Tod. Sie tötet Beziehungen, unsere Beziehungen zueinander und unsere Beziehung zu Gott.

Nur einer kann ihrer Macht widerstehen.

Sie sogar überwinden.

Und nur in ihm können wir das auch.

Jesus.

Der Jesus-Journalist ✍🏻

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